Die rund 25 Minuten verfliegen förmlich. Ab jetzt wirds hoffentlich etwas entspannter. Ich gehe gut gelaunt und mit Vorfreude auf viele schöne Runden auf meinen zweiten Loop. An der Ecke werde ich von einer befreundeten Familie angefeuert. Die Kinder schwenken Fahnen. Rührend! So kann es ja nur rollen.
Das Wetter ist immernoch ganz gut. Das soll sich später ändern. 1 Minute langsamer aber immernoch knapp unter 35 Minuten bin ich unterwegs. Ich fühle mich gut. Als ich zum dritten Loop aufbrechen will, werde ich von meinem Nachbar Ralf überrascht. Er steht mit dem Fahrrad vor der Tür und will mich begleiten. Voll nett. Er ist ein Triathlet, der bereits einen Ironman unter 10 Stunden gefinisht hat. Er weiß also was es heißt außergewöhnliche Leistungen zu vollbringen. Wir unterhalten uns gut und so geht diese Runde gefühlt noch schneller rum. Tatsächlich bin ich 2,5 Minuten langsamer. Aber eigentlich immernoch etwas zu schnell. Egal! Hier geht es ja um den Spaß und den habe ich definitiv. Auch wenn auf diesem Loop bereits die ersten Regentropfen fallen. Dafür fallen auch aufmunternde Anfeuerungsrufe von Wassilis Dachterasse. Lars und er trinken gemütlich 2-3 Bier und werden mich noch des Öfteren anpeitschen. Ein letztes Mal sehe ich meine Kinder an dem Abend, ich bringe sie ins Bett, trinke was, wechsel die Schuhe und gehe wieder auf die Strecke.
Es ist 22 Uhr und diesmal begleitet mich Christian. Er ist auch Läufer und wir standen auch schon bei der ein oder anderen Laufveranstaltung zusammen an der Startlinie. An der Ecke werden wir wieder angefeuert. Diesmal sind es mehr. Der halbe Freundeskreis hat sich hier versammelt. Natürlich mit dem gebotenen Abstand. Sogar „Pyrotechnik“ ist diesmal im Einsatz 😉
Auch diese Runde vergeht wie im Flug. Wir werden etwas nass. Aber alles noch im Rahmen. 24 km sind jetzt im Sack. Die Beine sind noch locker und die Pausen sorgen dafür, dass ich mich gut versorgen kann. So geht es immer wieder frisch auf die Strecke. Christian hat sich dazu entschlossen noch eine Runde mit zu laufen. Das freut mich, die Nacht wird ja schließlich noch lang genug. Die Rundenzeit pendelt sich jetzt auf um die 37 Minuten ein. Das passt gut. So sind die Pausen auch ausreichend lang um nicht in Stress zu kommen. Beim Backyard waren sie mir meist zu kurz um wirklich runter zu fahren. Bei diesem Format ist das echt angenehm und ich glaube das liegt mir echt gut. Viele haben ja Berichten zu folge Probleme mit dem immer wieder Pausieren. Vor allem wenn man dazu gezwungen ist. Mir hilft das, habe ich jedenfalls das Gefühl. Klar fällt es auch mir immer schwerer erneut auf die Runde zu gehen aber noch ist das kein Thema. Um 23:37 verabschiede ich mich von Christian. Nach erneutem Regenschauer genießt er jetzt eine warme Dusche. Ich ziehe mich um und genieße eine warme Kartoffelsuppe. Man tut das gut! Die brauche ich ab jetzt bei jedem Wettkampf. Ich gebe meiner Frau einen Gute-Nacht-Kuss. Sie war von dem Vorhaben überhaupt nicht begeistert aber jetzt hat sie mich doch den ganzen Abend toll unterstützt. Sie ist einfach die Beste! Apropo: Meine Freunde sind auch der Wahnsinn. Auch im nächsten Loop bin ich nicht alleine. Sie haben sich abgesprochen, wer wann einspringt. In der 6.Runde um 00:00 Uhr steht Mario parat. Er läuft mit mir durch die regnerische kalte Nacht.
Auch er unterhält mich hervorragend. Wir laufen, lachen haben Spaß. Und die Angler, die am See direkt an dem Trail campen, wecken wir ab jetzt auch jede Stunde. Wir sind wieder etwas nass geworden aber das ist nichts gegen das was uns in der nächsten Runde erwartet. Denn auch Mario hat sich dazu entschlossen mich einen weiteren Loop zu unterstützen. Diesmal mit dem Fahrrad. Aber vorher gönne ich mir eine Banane, ein paar Nüsse und einen erneuten Schuhwechsel. Ich habe mit wenig gedämpften Trailschuhen angefangen und werde immer komfortabler. Ich glaube das war eine gute Entscheidung. Also wieder raus in die Kälte.

Anfangs friere ich immer etwas. Das legt sich dann allerdings so nach 2km. Es ist schwierig das richtige Outfit zu finden. Auf dem 7.Loop liege ich Klamottentechnisch komplett daneben. Dachte es bleibt trocken. Das komplette Gegenteil ist der Fall. Nach 2,5km schüttet es dermaßen vom Himmel, dass man im Schein der Stirnlampe kaum noch etwas sieht. Klitsch nass bedanke ich mich bei Mario. Er hat wirklich die A-Karte gezogen. Er hätte mit dem Fahrrad vorpreschen können oder mit einer Abkürzung nach Hause gekonnt. Aber er hat es durchgezogen bis zu meiner Haustüre. Einfach toll! Und genau so geht es weiter.

Nach einem weiteren Teller Kartoffelsuppe, Aerobee Energy Gels und einem neuen Satz Laufklamotten und Schuhen geht es motiviert auf Runde 8. Der Marathon ist geschafft. Jetzt heißt es Ultramarathon einfahren. Und das mit Michael. Er hat sich extra den Wecker gestellt. Einer besser als der Andere. Champions League Stammtisch rules!!! Es wird die erste Runde über 37 Minuten. Trotzdem fühle ich mich echt noch richtig gut und ich freunde mich so langsam mit dem Gedanken an doch die 100km anzupeilen. Warum denn nicht? Ich habe das doch schon mal geschafft. Müdigkeit verspüre ich auch noch nicht. Und so lege ich, wieder mit Michael, auf Loop 9 eine neue Bestzeit von 32:49 hin. Das ist nicht schnell für 6 km aber das zeigt auch, dass die Beine noch wollen.
54 km sind jetzt im Sack. Wir haben jetzt 3:35 Uhr. Jetzt beginnt die angeblich schwierigste Phase. Ich spüre davon noch nichts. OK, die Runde wird, so schön sie auch ist, langsam langweilig. Aber es gibt eine neue Herausforderung. Ab jetzt werde ich alleine auf die Strecke gehen. Das ist einerseits schade, andererseits weiß ich auch, dass ich das jetzt genießen werde. Für mich hat das beides was. Die Gemeinsamkeit beim Laufen verbindet irgendwie. Das alleine laufen hat etwas meditatives und man hat das Gefühl über sich selber Dinge zu erfahren. Und auch das genieße ich sehr. Jetzt beginnt also eine neue Phase der Infinity Loops. Runde 10, 11 und 12 laufe ich alleine. Vor Runde 11, um kurz vor 5 kommt meine Frau in die Küche und erkundigt sich nach mir. Dann geht es aber auch schon wieder raus. Es dämmert schon leicht. Das hat etwas mystisches so in der Natur um den Dondorfer See.

Keine Menschenseele, keine Autogeräusche. Die ersten Vögel machen sich bemerkbar und sonst nur meine Schritte auf dem matschigen Pfad. In der Pause gönne ich mir jetzt doch mal ein koffeinhaltiges Energiegetränk, eine Laugenbretzel und auch die Gels geben mir Schübe. Dann hat mir meine Frau noch ein Müsli gezaubert, was ich mir vor der 12.Runde reinpfeife. Sich ständig mit Nahrung und ausreichend Flüssigkeit zu versorgen ist immens wichtig. Auch dafür tun mir diese relativ langen Pausen gut. Sonst würde ich das vernach-lässigen und den Preis dafür zahlen müssen. Dennoch werden meine Beine jetzt nach 72 km langsam schwer. Meine Rundenzeiten liegen jetzt auch auf über 41 Minuten. Ab und an streue ich kurze Gehphasen ein. Dann bekomme ich eine Nachricht auf meinem Handy. Simon fragt ob ich noch unterwegs bin. Er hat angekündigt mich um 7 Uhr zu begleiten, wenn ich dann noch laufen würde. Vermutlich hat er nicht damit gerechnet. Und genau so ist es. Als ich ihn treffe erzählt er mir direkt, er hätte gehofft, keine Antwort zu bekommen, da er Muskelkater vom Vortag hat. Doch er zieht es durch und das hilft mir gerade jetzt in der Phase wirklich weiter. Klar gibt einem das Tageslicht und das Gefühl die Nacht geschafft zu haben neue Energie, aber es steckt halt auch schon ein ordentlicher Ultra und eine schlaflose Nacht in den Beinen. Auf der Hälfte der 13.Runde entdecken wir dann Michael auf der Strecke. Er ist uns mit dem Fahrrad entgegen gekommen. Dabei ist er doch gerade erst ins Bett gegangen. Unglaublich!
Er begleitet mich auch auf Runde 14 ein weiteres Mal. Mir fällt es mittlerweile schwer zu laufen. Doch mit kurzen Gehpausen alles noch gut machbar. Die 102 km sind jetzt wirklich in Sichtweite.
Meine Familie ist jetzt auch wach. „Papa läufst du immernoch?“ Fragt mich meine Tochter. Irgendwie macht einen das stolz. Aber auf der anderen Seite denkt man sich, was mache ich hier eigentlich für einen Schwachsinn?! Das habe ich bereits auch öfters laut ausgesprochen und dennoch macht man weiter als würde einen eine geheime Macht antreiben. Irgendwie merkwürdig! Um 9 Uhr geht es dann Richtung 90 km Marke. Stefan ist dabei, den wir auf der Runde vorher noch beim Brötchen holen gesehen haben. Nachdem die Runde vorher echt hart war, läuft diese widerum ganz gut.
Vielleicht spüre ich aber auch einfach nichts mehr. Die Müdigkeit macht mir immernoch erstaunlich wenig zu schaffen. Es sind mehr die schmerzenden Beine, die mich daran hindern schnell vorwärts zu kommen. Aber wie anfangs erwähnt, um Schnelligkeit geht es bei diesem Format ja auch gar nicht. Ich habe längst realisiert, dass die 100 heute drin sind. Trotzdem beflügelt mich der Gedanke daran immer wieder. Es macht mich glücklich. Ich bin eine ganze Nacht gelaufen. Noch 2 Runden trennen mich von meinem weitesten Lauf. 102 bzw. in meinem Fall 103,5km. Runde 16 laufe ich, man muss fast sagen ausnahmsweise, alleine. Diese 6km fallen mir außergewöhnlich schwer. Christian kündigt sich erneut an. Er will meine vermeintlich letzte Runde mit mir laufen. Hätte ich gewusst, wie er mich trietzt (die letzte Runde nochmal unter 40 Minuten), hätte ich vielleicht gesagt, lass sie mich bitte alleine genießen. Aber wahrscheinlich war es gut so.
Und so konnte ich mich bei ihm auch nochmal stellvertretend für alle bedanken. „Das hat unsere Freundschaft auf ein neues Level gehoben.“ sagte ich ihm kurz vor der Zielgeraden. Das klingt sehr hochtrabend und hat wahrscheinlich auch etwas ironisch geklungen. Aber da ist tatsächlich viel Wahres dran. Dass mich meine Freunde bei so einem doch außergewöhnlichen Vorhaben derart unterstützt haben, und das bei Kälte und Nässe, war schon groß und das hat mich tatsächlich etwas gerührt. Ursprünglich wollte ich das alles alleine durchziehen. Es sollte vor allem als Mentaltraining dienen. Deshalb habe ich es auch nicht großartig angekündigt und es auch nur auf facebook und in unserer Gruppe gepostet. Ich bin davon ausgegangen, dass ich so vielleicht bei 2-3 Runden eine Begleitung habe. Aber dass das dann so kommen würde, davon war ich extrem überrascht. Das Mentaltraining sich alleine so lange durchzubeißen kam so vielleicht etwas kürzer aber es ist was viel Größeres und Wertvolleres entstanden. Vielen Dank, ihr Lieben! Und der Zieleinlauf war auch einfach phänomenal.
Fast alle Unterstützer standen da. Ein tolles Kreidebild auf dem Boden, eine Aufstelltafel und Zielleinlauf mit meinem Kleinsten. Was will man mehr?
Eine Dusche und ein Bett vielleicht?! Ja. Klingt gut. Doch das einschlafen fällt mir wie üblich nach solchen Anstrengungen etwas schwer. In dem Fall ist das gut, denn so verpasse ich auch Rafael nicht, der klingelt um mir ein kühles alkoholfreies Weizen vorbei zu bringen. Ihm habe ich das zu verdanken, dass ich auf so fragwürdige Ideen komme bei solchen Extrem-Events teilzunehmen. Danke dafür! Und ich bin mir sicher, er wäre auch ein paar Runden mitgelaufen, wenn ich es ihm vorher erzählt hätte. Aber meine Intension war ja auch für dieses Event ursprünglich wie beschrieben etwas Anderes.
Was bei dem Bericht auch auch auf keinen Fall zu kurz kommen darf sind ein paar Worte über die Community, die bei diesem Event online zusammengewachsen ist. Denn auch das war etwas ganz Besonderes. Jeder hat jeden unterstützt. Sei es mit Zwischenmeldungen, aufmunternden Posts und Kommentaren oder Live-Videos. Das hat einfach Spaß gemacht und hat sich fast angefühlt wie ein Event bei dem alle gemeinsam an einer Startlinie stehen. Laufen verbindet. Definitiv. Vielen Dank an Michael für die Idee und die Umsetzung dieser Veranstaltung!
Übrigens, Rebecca Lenger hat mit 27 Runden die 100 Meilen voll gemacht und damit die Infinity Loops gewonnen. Wahnsinns Leistung! Herzlichen Glückwunsch, auch an alle anderen Teilnehmer für tolle Erfolge!

Coole Aktion!
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